Mein Abschlussprojekt zu „Mut zum eigenen Text“
por i5s4a3b2e1l0l @i5s4a3b2e1l0l
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Elena kam zwei Sekunden zu spät. Außer Atem und etwas keuchend erreichte sie die staubige Straße. Sie schaute mit aufgerissenen Augen den Straßenverlauf hinab und fuhr sich durch die feuchten strähnigen blonden Haare.
„Verdammt! Das darf doch nicht wahrsein!“ fluchte Elena innerlich und überlegte eine Viertelsekunde lang, die Matsch bespritzte Tasche unter den Arm zu klemmen und dem Bus hinterherzulaufen.
Aber die kleinen pieksigen Kiesel unter ihren noch nassen Füßen erinnerten sie daran, dass sie barfuß war. Zudem war die einzige Spur von dem Bus nur noch die Staubwolke am Horizont und ein leises Röhren, das in der Ferne verklang.
„Das war‘s dann wohl.“ Elena seufzte resigniert. Ein mulmiges Gefühl ergriff sie und sie stützte sich mit einer Hand an einer der zwei Telefonzellen neben der Haltestelle ab. Vor ihrem inneren Auge lief direkt ein Film ab, eine Mischung aus Erfahrungen und hellsichtiger Prognose. Sie sah ihre akkurat gestylte Schwester toben, wie sie es sich einfallen lassen konnte zu spät zu kommen! Elena sah den verstohlen beschämten Blick ihrer Mutter, als wollte sie sagen „Wir sind es dir also nicht wert!“. Und sie hörte ihren Vater die sachliche Feststellung mit solch einer Wucht aussprechen, dass es wie Messerstiche schmerzte „Nicht mal dass schaffst du: deine Familie besuchen!“
Mit diesem Schauspiel im Kopf wurden ihre Finger feucht, ihr Mund fühlte sich an wie eine Wüste in der Mittagshitze: trocken und staubig. Langsam ging sie um die Telefonzellen herum und nahm auf einer alten Cola-Kiste Platz, die daneben stand.
Wie verrückt, dass sie sich nach 25 Jahren in solchen Situationen immer noch fühlte wie ein Kind!Ein Kind, das den Regeln entsprechen möchte und sich gleichzeitig völlig ohnmächtig und klein vorkommt.
Und so ging es ihr jetzt auch: sie war ohnmächtig. Der letzte Bus war ihr soeben vor der Nase weggefahren, die Wahrscheinlichkeit rechtzeitig zur Familienfeier zu erscheinen ging gegen Null.
Tränen stiegen Elena in die Augen und eine einsame Leere erfasste sie. Sie wusste ganz genau, dass der verpasste Bus nicht der Auslöser für ihre Verzweiflung war. Umso mehr schämte sie sich für ihre Reaktion. Dabei schaute niemand zu. Sie war allein. Allein mit ihrer Ohnmacht und ihrer Trauer.
Denn heute jährte sich der Todestag ihres damaligen Freundes Fabio. Deswegen war sie überhaupt hier her gekommen, an diesen Gott verlassenen Ort. Sie hatte die schönen Zeiten herbeibeschwören wollen, hatte sich an ihr letztes Treffen, den letzten Kuss hautnah erinnern wollen. Sie zog ihr Tagebuch von damals aus der Tasche und schlug die Seite mit dem letzten Eintrag auf: 27. September.
Damals hatten Elena und Fabio einen Ausflug hier ins Hinterland gemacht. Sie waren durch die Wiesen gestreift, hatten die Füße in den nahe gelegenen Bach gehalten. Sie hatten Kiesel gesammelt und Türme im Bachbett gebaut. Das kühlende Wasser spürte sie noch auf der Haut und das gemeinsame Lachen klang ihr noch in den Ohren. Frei und unbeschwert war sie da noch gewesen. Und jetzt erlebte sie das totale Gegenteil: schwer wie ein Stein, nein, wie ein ganzes Gebirge fühlte sie sich! Und eingesperrt von den Wünschen anderer…
Die Zeilen im Buch, ihre eigene Handschrift verschwammen vor ihren Tränen gefüllten Augen. Aber sie wusste was dort stand, denn sie hatte es zig mal gelesen um diesen Augenblick wieder ins Leben zu rufen: „…wunderschön mit ihm. So lebendig frei. Schmetterlinge im Bauch. Jeder Blick, jede Berührung tut gut! Für immer will ich diesen Moment einfrieren…“
Sie waren damals erst zwei Monate ein Paar gewesen und sie hatte ihren Eltern von der Liebschaft noch nichts erzählt. Fabio war Italiener gewesen, sie hatte Zweifel gehabt, ob ihre Eltern ihn in die Familie hätten aufnehmen wollen. Und dann war er plötzlich aus ihrem Leben gegangen. Da war es ihr noch unpassender vorgekommen ihre Familie zu informieren. Sie hätten es ihr nicht verziehen, dass sie ihnen die Beziehung verschwiegen hatte. Also blieb es für immer geheim. Sie wussten also auch nicht, dass heute ein denkbar ungünstiger Tag für eine Familienfeier war und sie hatte es ihnen auch nicht erklären können…
Jetzt saß Elena hier an diesem ebenso glücklichen wie traurigen Ort. Sie versuchte wieder einen klaren Gedanken zu fassen. Aber die Gedanken schwirrten nur so in ihrem Kopf herum und verflüchtigten sich ebenso schnell wie sie gekommen waren, wenn sie zugreifen und einen Gedanken nach dem anderen denken wollte.
Sie hätte später nicht sagen können, ob sie Sekunden oder Stunden so dagesessen hatte. Erst als die ersten dicken Regentropfen auf sie fielen, klarten sich ihre Gedanken auf. Sie sortierte mögliche Pläne:
Eine Idee war, ihren Eltern zu erzählen, sie käme nicht weil sie krank sei. Eine andere wäre, sich gar nicht zu melden. Keine der beiden gefiel ihr. Aber die Zeit drängte, sie musste sich entscheiden…
Elena sah sich um, in der Hoffnung irgendeinen Ausweg zu erblicken. Die Straße lag still und leer vor ihr. Der Wind blies ihr Regentropfen ins Gesicht und ließ sie frösteln. Sie zog den Mantel enger und klappte ihr Tagebuch zu. Ihre Augen suchten den Straßenrand ab, ihr Blick blieb an den ersten Pfützen hängen und wanderte dann weiter. Aber es blieb dabei. Es kam keine Lösung vorbei. Sie allein konnte entscheiden, wie es weitergehen sollte.
Ihr Herz begann deutlicher zu klopfen und ihre Beine zitterten leicht als sie auf eine der Telefonzellen zuging. Fast erleichtert hörte sie das Freizeichen, nachdem sie Geld in den Schlitz gesteckt hatte. Oder wäre es besser gewesen, das Telefon wäre kaputt gewesen? Dann hätte sie die Verantwortung abgeben können.
Ihre Schwester meldete sich, Ungeduld klang in ihrer Stimme mit.
„Es tut mir leid…“ sagte Elena noch mit fester Stimme. Dann ließen die Tränen ihre Stimme erzittern „Du wirst es nicht verstehen… aber… Ich kann nicht kommen…“ Die Pausen füllte ihre Schwester mit ungeduldigen Nachfragen „Was ist denn los? Komm zur Sache!“
Und obwohl Elena fest entschlossen war, nicht die Wahrheit zu sagen, platzte es aus ihr heraus und sie erzählt die ganze Geschichte.
@isabelle_lehn
Bitte um Rückmeldung: ist das Ende zu offen?
1 comentario
isabelle.lehn
Profesor Plus¡Hola, gracias por este texto y la historia que surgió alrededor de la imagen! De hecho, cambiaría el final, tal vez incluso me detendría un poco antes y dejaría abierto si Elena cuenta la historia (especialmente porque el título ya lo sugiere). Así que tal vez termine con el tono de marcado y la idea de que ahora no puede volver tan pronto como alguien conteste.
O: En este punto, continúa contando la historia y termina con una reacción de la hermana que Elena no esperaba. Incluso entonces, el final sería un poco más emocionante y la tensión acumulada de antemano se mantendría (final abierto) o se descargaría de una manera algo más sorprendente (giro/resolución del conflicto).
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